Partei für die Tiere nimmt Führungs­po­sition bei der Verbes­serung der europäi­schen Agrarstra­tegie ein


3 Februar 2021

„Weniger Gift, weniger Antibiotika und weniger Tiere!“ Vergangene Woche stellte Anja Hazekamp, Europaabgeordnete der niederländischen Partei für die Tiere, Pläne für ein faires, gesundes und nachhaltiges Lebensmittelsystem "Vom Landwirt zum Teller" vor. „Die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel in Europa produzieren, hat erhebliche Auswirkungen auf unser Klima, die Umwelt, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mensch und Tier weltweit“, sagte Hazekamp. „Deshalb geben wir konkrete Empfehlungen ab, um den ökologischen und klimatischen Fußabdruck unseres Lebensmittelsystems drastisch zu reduzieren und Lebensmittel und deren Produktion gesünder zu machen.“

Anja Hazekamp stellt dem Europäischen Parlament die Pläne zur Verbesserung der Strategie "Vom Landwirt zum Teller" vor © European Union 2021 - Quelle: EP

In sowohl dieser, als auch in der letzten Woche steht die "Farm to Fork" Strategie ganz oben auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments. Diese Agrarstrategie wurde von der Europäischen Kommission im Mai letzten Jahres vorgelegt; „Ein erster Schritt zu einem nachhaltigeren und gesünderen Ernährungssystem“, sagt Anja Hazekamp, „aber noch lange nicht perfekt“. Aus diesem Grund schrieb sie als Berichterstatterin des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung einen ehrgeizigen Nachfolgeplan. Darüber wird in Kürze das gesamte Parlament abstimmen.

„Gesunde Ernährung, eine gesunde Gesellschaft und ein gesunder Planet können nicht getrennt betrachtet werden“, so Hazekamp in dem Bericht. „Die Massentierhaltung und der Anbau von Monokulturen mit intensivem Chemikalieneinsatz sind für Mensch, Tier und Umwelt katastrophal. Wir müssen uns von den Methoden der großflächigen und intensiven Nahrungsmittelproduktion lossagen.“

Russisch Roulette
Wie gesund unsere Lebensmittel sind, hängt nicht nur von der Zusammensetzung eines Produktes, sondern auch von der Art und Weise, wie es hergestellt wird, ab.Der Produktionsprozeß hat großen Einfluß auf unsere Umgebung und damit auch auf unsere Gesundheit. Lebensmittel- und landwirtschaftliche Systeme stoßen weltweit 30 % aller Treibhausgase aus, und innerhalb der EU ist die Landwirtschaft für rund 90 % der Ammoniakemissionen verantwortlich. Unser derzeitiges Ernährungssystem ist somit eine der Hauptursachen für Luftverschmutzung, Zerstörung der Natur und der Klimakrise. Gleichzeitig verursacht der übermäßige Einsatz von Agrargift große Schäden an Mensch, Tier und Umwelt.

Darüber hinaus ist die Massentierhaltung ein Brutkasten für Zoonosen: Krankheiten, die sich von Tier auf Mensch ausbreiten. Die aktuelle Covid-Pandemie zeigt, welche Folgen das haben kann. Derzeit halten wir jedes Jahr mehr als sieben Milliarden Tiere in der EU, oft mit großer Zahl auf kleinstem Raum: „eine Form von russischem Roulette“, sagt Hazekamp. „Wenn wir unser Ernährungssystem nicht nachhaltiger gestalten, wird es auf neue Ausbrüche von infektiösen Tierseuchen geben; es gab bereits Krankheiten wie Q-Fieber und Influenza A (Schweinegrippe) in der Tierhaltung. Wir dürfen solche Warnungen nicht länger negieren.“

Ehrliche Information, Ehrgeiz und Entschlossenheit
Im Bericht wird daher eine wirklich ehrgeizige Agrarstrategie gefordert. Er fordert die Europäische Kommission auf, die Auswirkungen der Massentierhaltung auf Klima, Umwelt und die biologische Vielfalt explizit anzuerkennen und auch tatsächlich etwas dagegen zu unternehmen. Indem die EU-Länder gesetzlich verpflichtet werden, den Einsatz von Agrargiften und Antibiotika zu reduzieren; die Subventionierung der intensiven Landwirtschaft und Massentierhaltung eingestellt wird; und durch die Förderung lokaler, biologischer und pflanzlicher Lebensmittel. Laut Hazekamp ist die Umstellung auf mehr pflanzliches Eiweiß der beste Weg, um viele Umwelt- und Klimaprobleme anzugehen und eine weitere Entwaldung innerhalb und außerhalb Europas zu verhindern.„Wissenschaftler von Oxford haben bereits vor Jahren festgestellt, dass wir jedem ausreichend Nahrung zur Verfügung stellen und Flächen an die Natur zurückgeben können, wenn wir anfangen, pflanzlicher zu essen.“

Hazekamp plädiert auch für eine bessere und ehrlichere Informationen auf Produkten. „Man kann den Übergang zu einem gesunden Lebensmittelsystem nicht auf den Verbraucher abschieben. Solange Fleisch und andere Produkte verkauft werden, die schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt, Klima und den Tierschutz haben, schließt das ehrliche Informationen ein“, sagte die Abgeordnete. „Außerdem sollten die nachhaltigsten und gesündsten Entscheidungen auch die günstigsten Entscheidungen sein.“

Dass solche Maßnahmen noch nicht in die Farm to Fork-Strategie aufgenommen worden sind oder sogar aktiv aus ihnen entfernt wurden, ist unter anderem auf die Lobbyarbeit der größten Interessengruppe europäischer Bauern zurückzuführen. Untersuchungen von Corporate Europe Observatory haben ergeben, dass die Forderungen dieser Interessengruppe hinter den Kulissen in krassem Gegensatz zu den öffentlichen Unterstützungserklärungen für Familienunternehmen, dem Green Deal und dem Pariser Klimaabkommen stehen. „In Wirklichkeit verteidigt diese Lobbygruppe nicht die Interessen der Landwirte, die durch die Industrialisierung und den Ausbau der Landwirtschaft unterdrückt werden, sondern die der Agrarindustrie“, heißt es in dem Untersuchungsbericht.

Globaler Übergang - auch für Landwirte
Die Maßnahmengegner für eine Landwirtschaftsumstellung zeigen oft einen Widerspruch zwischen landwirtschaftlichen und Umweltinteressen auf. Zu Unrecht, so Anja Hazekamp. “Gerade der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt sind die größten Bedrohungen für die Landwirte. Dürren, Überschwemmungen und der Verlust genetischer Vielfalt untergraben, die für die Ernährungssicherheit erforderliche Grundlage. Ein lebenswertes Klima und eine robuste Natur sind auch im Interesse der Landwirte.“

In ihrem Beitrag in der vergangenen Woche prangert Anja Hazekamp die neu entstandene gemeinsame Agrarpolitik der EU an, in der die Finanzierung der Landwirtschaft in den nächsten sieben Jahren festgelegt worden ist. „Es gab zahlreiche Rapporte, in denen deutlich gemacht wird, dass wir uns jetzt in einer Sackgasse befinden“, sagt Hazekamp. „Und doch bleibt die gemeinsame Agrarpolitik weiterhin in derselben Sackgasse. Wie wollen Sie als Kommission auf der einen Seite Umwelt- und Klimaziele erreichen, während Sie auf der anderen Seite Milliardensubventionen für die Massentierhaltung ausgeben?