Inter­na­ti­o­naler Protest gegen die Okto­pus­zucht unter Führung der Spani­schen Partei für die Tiere


9 Februar 2022

In diesem Sommer soll in Spanien die weltweit erste Oktopus-Zuchtfabrik eröffnet werden. Eine höchst umstrittene Premiere, denn die Oktopuszucht stuft man als unethisch ein, als Bedrohung für die Tierwelt und die Umwelt und unvereinbar mit den EU-Richtlinien für nachhaltige Aquakultur. Am vergangenen Wochenende organisierte die spanische Partei für die Tiere PACMA eine Kundgebung in Las Palmas, Gran Canaria, die von ihren Schwesterparteien weltweit und Dutzenden von spanischen und internationalen Tierschutz- und Umweltorganisationen unterstützt wurde. Ihr Ziel: "die Eröffnung einer weiteren Megafarm zu verhindern, in der ein außergewöhnlich intelligentes Tier, der Oktopus, ausgebeutet werden soll".

PACMA-geführter Protest vor dem Rathaus von Las Palmas, Gran Canaria, Spanien, wo die erste Oktopusfarm der Welt geplant ist.

Wild gefangene Oktopusse werden auf der ganzen Welt verzehrt, vor allem in den Mittelmeerländern Europas, in Asien, Mexiko und in jüngster Zeit auch in den Vereinigten Staaten und Japan. Angesichts des steigenden Verbrauchs und des daraus resultierenden Rückgangs der wild lebenden Oktopuspopulationen ist die Lebensmittelindustrie bestrebt, Oktopusse in Gefangenschaft zu züchten. In Mexiko, Japan, Australien und den Vereinigten Staaten gibt es bereits Pläne für Oktopusfarmen. Das spanische multinationale Unternehmen Nueva Pescanova ist das erste Unternehmen weltweit, das eine solche Oktopusfarm im Hafen von Las Palmas realisiert und plant dort jährlich 3.000 Tonnen Oktopusfleisch zu produzieren.

Ein Rezept für Katastrophen
Die Idee stößt bei Wissenschaftlern, Tierschützern und Umweltorganisationen gleichermaßen auf heftige Kritik. Eine internationale Forschergruppe hat die Oktopuszucht als ethisch unentschuldbar und eine Gefahr für die Umwelt angeprangert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Oktopusse hochintelligente und neugierige, fühlende Lebewesen sind, die in der Lage sind, Werkzeuge zu benutzen, ihre Umgebung wahrzunehmen und zu manipulieren und Freude, Schmerz und Kummer zu empfinden. Wie die Meeresbiologin Elena Lara in ihrem Bericht für die internationale Organisation Compassion in World Farming überzeugend darlegt, ist die intensive Oktopuszucht "ein Rezept für Katastrophen".

Die Gefangenschaft in kargen, sterilen Becken würde dem Wohlergehen und der Gesundheit dieser hochintelligenten Lebewesen stark schaden, und die Haltung einer großen Anzahl dieser, von Natur aus einzelgängerischen Tiere, würde ein hohes Risiko von Aggressionen und sogar Kannibalismus mit sich bringen. Erschwerend kommt hinzu, dass Oktopusse derzeit überhaupt nicht vor Leiden oder inhumaner Schlachtung geschützt sind, da es derzeit keinerlei Gesetze gibt, die ihr Wohlergehen und die Zuchtpraktiken regeln.

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Trailer des Dokumentarfilms Mein Lehrer, der Krake, der das internationale Bewusstsein für die Emotionen und die Intelligenz von Oktopussen geschärft hat.

Eine intensive Oktopuszucht würde auch zur Überfischung der Wildfischpopulationen beitragen, denn genau wie Zuchtfische werden auch Oktopusse mit Futter aus Fisch gefüttert. Derzeit wird bis zu einem Viertel des Fangs der industriellen Fischerei für die Herstellung von Futtermitteln für Zuchtfische verwendet; für Zuchtoktopusse wäre zusätzliches Futter erforderlich. Dadurch würde sich das Nahrungsangebot für andere Arten, die auf kleine Fische angewiesen sind, wie z. B. Pinguine, weiter verringern. In Anbetracht der globalen Überfischungskrise, mit der wir bereits konfrontiert sind, würde dies eine unannehmbare Bedrohung für die Nahrungskette darstellen, so die Kritiker. Außerdem sei dies unvereinbar mit den Strategischen Aquakultur-Leitlinien der EU, die die Verringerung der Abhängigkeit der Aquakultur von Futtermitteln aus wild gefangenem Fisch fördern.

Verschmutzung, Fäkalien, Algen, Antibiotika und das erhöhte Risiko eines Krankheitsausbruchs in Becken oder Netzkäfigen im offenen Meer: Die Argumente gegen die Oktopuszucht sind zahlreich und eindeutig. Wie Professorin Jennifer Jacquet von der New York University erklärte: „Wir können keinen Grund erkennen, warum im 21. Jahrhundert ein hochentwickeltes, komplexes Tier eine Quelle für massenhaft produzierte Lebensmittel werden sollte".

Wir werden keine Oktopus-Farmen zulassen! Weltweite Proteste gewinnen an Schwung

Ankündigung der Proteste vom letzten Wochenende, mit allen unterstützenden Organisationen weltweit.

Die bevorstehende Eröffnung der Nueva Pescanova-Oktopusfarm hat verstärkten Widerstand ausgelöst. Compassion in World Farming hat eine Kampagne gegen die Oktopuszucht gestartet und sich an die Regierungen mehrerer Länder, darunter Spanien, gewandt, um sie aufzufordern, die Eröffnung solcher Farmen zu verbieten. In Spanien hat die Partei für die Tiere PACMA die Proteste am vergangenen Wochenende in Las Palmas angeführt und eine breite Koalition der Unterstützung geschmiedet, zu der ihre 19 Schwesterparteien und etwa 40 Tierschutz- und Umweltorganisationen aus der ganzen Welt gehören. Die PACMA hat sich an den Stadtrat, die Hafenbehörde von Las Palmas und die Regierung der Kanarischen Inseln gewandt und betont, „dass es unverantwortlich ist, die Eröffnung einer solchen Farm zuzulassen, ohne dass diese Tiere gesetzlich geschützt sind“.

Es gibt einen hoffnungsvollen Präzedenzfall: In einer kürzlich erfolgten Änderung des Tierschutzgesetzes im Vereinigten Königreich (der Animal Welfare (Sentience) Bill) wurden Oktopusse per Gesetz als fühlende Wesen anerkannt, nachdem ein Expertenteam über 300 wissenschaftliche Studien untersucht hatte. Sie kamen zu dem Schluss, dass Oktopusse "empfindungsfähige Wesen" sind und es "starke wissenschaftliche Beweise" dafür gibt, dass sie Vergnügen, Aufregung und Freude empfinden können - aber auch Schmerz, Not und Leid. Die Autoren dieser Gesetzesänderung sind nach eigenen Angaben "überzeugt, dass eine artgerechte Oktopuszucht nicht möglich ist" und raten der Regierung, "in Zukunft ein Verbot für importierte Zucht-Oktopusse in Betracht zu ziehen".